Donnerstag, 1. Januar 2009

Vorschau 2009 ...

Von dem wunderbaren Horst Evers, vorgelesen im Mehringhoftheater (hingehen!), veröffentlicht in der zitty der ultimate Jahresausblick 2009 .... Lest selbst:

Januar
Sitze am Frühstückstisch und bin müde. Unendlich müde. Es ist wie verhext. Wenn ich am Frühstückstisch sitze, bin ich müde. Wenn ich im Bett liege, habe ich Hunger. Immer am falschen Ort zur falschen Zeit. Denke, na das Jahr geht ja gut los. Wirtschaftsexperten haben herausgefunden, dass doch alles noch, noch viel schlimmer ist. Schlimmste Rezession seit der Geburt von Johannes Heesters. Um die Autoindustrie zu retten führt die Bundesregierung den Führerschein ab 15 ein.

Februar
Wirtschaftsprognosen zeigen: Alles noch viel schlimmer, als man dachte, dass es schlimm ist. Politiker fordern von der Politik, also von sich selbst, sie sollen endlich etwas tun, um die Konjunktur zu stützen. Unter großem Druck von sich selbst kauft die Bundesregierung, um die Automobilbauzuliefererindustrie zu stützen, 40 Millionen Autositze und verteilt sie an die Bevölkerung. Die isländische Regierung entschließt sich unterdessen, um den Staatsbankrott abzuwenden, die komplette Insel an Playmobil zu verkaufen.

März
Die Zeitungen schreiben: So viel schlimmer, wie es jetzt viel schlimmer ist, war es noch nie schlimmer. Um die Automobilbauer zu stützen, verabschiedet die Bundesregierung ein neues Einwanderungsgesetz. Beim Kauf von zwei in Deutschland produzierten Autos erhält man eine doppelte Staatsbürgerschaft gratis. Führerschein jetzt ab 13. Zur Stabilisierung der Automobilbauer-zulieferzulieferindustrie kauft die Regierung 50 Millionen Plastikchassis für Autositze und verteilt sie an die Bevölkerung. Playmobil gibt bekannt, man plane Island komplett zu einer bunten Playmobilerlebniswelt umzubauen. Man verspricht allerdings, dabei soweit es geht auf Würde und Selbstwertgefühl der Bevölkerung Rücksicht zu nehmen.

April
Führerschein jetzt ab 12. Um die Zulieferfirmen zu stützen kauft die Bundesregierung 50 Millionen Sätze Winterreifen und verteilt sie an die Bevölkerung. Wenn man je zwei Reifen unter einen Autositz legt, hat man einen schönen Sessel. Ganz bequem eigentlich. Um die Konjunktur nicht weiter durch irgendwelche zu ehrgeizigen Klimaziele zu belasten, wird beschlossen den Klimawandel insgesamt aufs Jahr 2028 zu verschieben. Fast alle Nationen stimmen zu. Nur die Niederlande und die Malediven haben Bedenken.

Mai
Die Holzstuhlindustrie klagt, dass durch die vielen verteilten Autositze ihr Absatzmarkt völlig zusammengebrochen ist. Um zu helfen kauft die Bundesregierung 80 Millionen Holzstühle und verteilt sie an die Bevölkerung. Zur Belebung der Autoindustrie wird die Kfz-Steuer abgeschafft. Stattdessen führt man nur kurze Zeit später eine Anti-Kfz-Steuer ein, welche nun jeder Haushalt ohne Automobil zu entrichten hat. Führerschein jetzt ab zehn.

Juni
Mittlerweile beschwert sich die Polstermöbelindustrie wegen der Gratisholzstühle. Die Regierung kauft 50 Millionen Sessel, Sofas oder Couchgarnituren und verteilt sie. Erste Privathaushalte murren, man wisse echt nicht mehr wohin mit den ganzen Sitzgelegenheiten. Für etwas Belebung auf dem deutschen Arbeitsmarkt sorgt die Herstellung von vier Millionen Plastikhelmen und Plastikuniformen für die isländische Bevölkerung. Um die Automobilbauzulieferzulieferzulieferantenzulieferindustrie zu entlasten kauft die Bundesregierung 60 Millionen Minitaschenfederkerne für Autositze und verteilt sie an die Bevölkerung.

Juli
Führerschein jetzt ab neun.
Stürme, Überschwemmungen und kleinere Erdbeben überall auf der Welt. In einer globalen Krisensitzung sind sich alle Nationen einig, dass nun entschlossenes, kompromissloses Handeln vonnöten ist. Als direkte Sofortmassnahme gelingt es den Klimawandel weltweit zu ächten. Die neu ernannten Weltklimaschutzsonderbeauftragten Wladimir Putin und Dick Cheney sprechen von einem echten Durchbruch.
Die Anti-Kfz-Steuer wird ausgeweitet und gilt nun für alle Haushalte mit weniger als zwei Automobilen.

August
Der Unmut in der Bevölkerung über die Sitzmöbelschwemme wächst. Um die Notwendigkeit der vielen Sitzgelegenheiten zu unterstreichen, erlässt der Bundestag ein Gesetz, nach dem fortan jeder Bundesbürger täglich wenigstens zwölf Stunden auf mindestens acht verschiedenen industriell gefertigten Sitzgelegenheiten zu sitzen hat. Unnötiges Stehen wird mit einer Strafabgabe geahndet. Zur Überwachung dieser Sitzverordnung hat Innenminister Schäuble bereits weitgehende Gesetzesänderungen veranlasst. An jedem bundesdeutschen Hintern wird wohl in Kürze eine Minikamera haften. Führerschein jetzt ab acht. Nach dem plötzlichen Verschwinden der Malediven und der Niederlande kündigen die Weltklimabeauftragten Putin und Cheney Maßnahmen an. Zulange habe man versucht mit dem Klimawandel zu verhandeln. Ab jetzt werde man dem Wetter mit einer Politik der Härte und der Stärke begegnen.

September
Die Wirtschaftsweisen verkünden plötzlich, es ist doch alles nicht so schlimm. Die Maßnahmen der Regierung greifen, Aufschwung kommt. Durch die konsequente Absenkung des Führerscheinalters ist es gelungen, die Auto-Kindersitzindustrie spürbar zu beleben. Vor allem der völlig neue Markt von Sitzerhöhungen für den Fahrersitz und hochgestellten, farbig markierten Pedalen schlägt positiv zu Buche. Zudem belebt die drastisch gestiegene Zahl von Blechschäden die Binnenkonjunktur. Außerdem freuen sich die Werften über die Aufträge für 20 riesen-riesengroße Vollplastikschiffe für die Playmobil-Piratenwelt auf Island. Wohl durch diesen plötzlichen, unerwarteten Aufschwung kommt es zu einem geradezu historischen Wahlergebnis. Alle, wirklich alle Parteien erreichen exakt dasselbe Ergebnis wie vor vier Jahren. Die Frage, ob dies durch Zufall oder einen Computerfehler geschehen ist, wird die Gerichte wohl noch einige Jahre beschäftigen. Doch das Ergebnis gilt. Speziell den SPD-Abgeordneten stehen die Tränen in den Augen, als sie realisieren, dass sie nun noch vier weitere Jahre in einer großen Koalition regieren werden. Gerhard Schröder lässt aus Moskau verlauten, er sei der eigentliche Wahlsieger.

Oktober
Die Wirtschaftsweisen räumen ein, dass sie wohl doch etwas zu optimistisch waren. Tatsächlich ist alles noch viel, viel, viel schlimmer, als es schon schlimm war, als noch alles viel schlimmer war. Überall in Deutschland gibt es Proteststeher. Die Wirtschaftsweisen sagen, alles liegt nur an der Halbherzigkeit der Regierung. Um die Automobilbauzulieferzulieferzulieferzulieferzulieferzulieferindustrie zu stützen, kauft die Bundesregierung zwei Milliarden Meter Autositzstoffe und verteilt sie an die Bevölkerung. Die Sendungen „Wie baue ich mir selbst einen Autositz?“ und „Kochen mit Autositzen“ werden zu den erfolgreichsten Fernsehformaten. Auf Island kommt es zu Protesten. Immer noch weigern sich viele Isländer sich ausschließlich wie Playmobilfiguren mit steifen Armen, Beinen und Oberkörpern zu bewegen. Bilder von randalierenden Playmobilisländern gehen um die Welt. Playmobil bestellt 2.000 lebensgroße Plastikpanzer bei Matell.

November
Um den Autobauern zu helfen beschließt die Bundesregierung, die Notenbank, das Münzprägerecht und die Steuerhoheit auf den Verband der deutschen Automobilindustrie zu übertragen. Die Wirtschaftsweisen sind sehr skeptisch, ob diese Maßnahmen ausreichen werden und zeigen sich enttäuscht von der Mutlosigkeit der Regierung.

Dezember
Die Automobilindustrie nutzt die neu gewonnene Steuerhoheit und beschließt rückwirkend aufs Jahr eine Steuer auf alle Sitzgelegenheiten. In ihrer Neujahrsansprache verspricht die Kanzlerin, weiterhin Besonnenheit zu bewahren.
Playmobil geht auf Island das Geld aus. Sie verkaufen die Insel an Coca-Cola. Die kündigen an, Island zu einem Weihnachtswunderland zu machen, wo ganzjährig Coca-Cola-Weihnachten gefeiert wird. Als Erstes werden Ganzkörpercoladosen und Wichteluniformen an die Playmobilisländer verteilt.

Und ich, ich sitze immer noch am Frühstückstisch, schaue auf meine mit Autositzen, Winterreifen, Holzstühlen und Taschenfederkernen zugeschüttete Wohnung und bin müde. Immer noch unendlich müde.

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