Montag, 7. Dezember 2015

Klimaverhandlungen: frustrierend, aber wichtig

Am 21.10. debattierte ich den Zustand der Klimabewegung vor Paris im taz Cafe in Berlin. Zur Vorbereitung hatte ich für das Forschungsjournal neue soziale Bewegungen ein paar Gedanken zur Rolle der Klimaverhandlungen als Ort der Auseinandersetzung für die Klimabewegung aufgeschrieben. Eine Version dieses Beitrags befindet sich hier auf der Seite des Journals. Eine weitere, akademischere, wird im Journal selber erscheinen. Dies ist eine gute Mischung. Wer die gesamte Diskussion vom 21.10. nachhören möchte kann dies hier tun. 

2015 gilt als das “Gipfeljahr”. Der britische Telegraph nennt es "das wichtigste Jahr seit Jahrzehnten für die Klima Schlacht" und auch Naomi Klein ist überzeugt, dass dieses Jahr ein einmaliger Moment für die Klimabewegung ist.

Gerade hat die UN-Vollversammlung in New York neue Nachhaltigkeitsziele verabschiedet. Fast alle Nichtregierungsorganisationen feierten sie als Schritt in die richtige Richtung. Auch Greenpeace äußerte sich positiv. Allerdings halten wir es für falsch, dass die Agenda weiter auf genau das weltweite Freihandelsregime setzt, das in Deutschland momentan unter den Stichwörtern TTIP und CETA Millionen mobilisiert und – zu Recht - Tausende auf die Straße bringt.

Nun richten sich die Blicke auf Paris, wo die UN im Dezember einen weiteren Versuch unternehmen wird, ein universales – also wirklich globales - Klimaabkommen zu verabschieden. Welche Bedeutung hat Paris für die Klimabewegung? Darüber lässt sich trefflich streiten. Jürgen Maier behauptet, es “gibt  keine Klimapolitik” und wirft NGOs, die auf einen globalen Klimavertrag setzen, vor, in einer Parallelwelt zu leben. Andere, wie Avaaz, sprechen von Paris immer noch als den Moment, an dem die Welt zu retten ist.

Für Greenpeace liegen die entscheidenden Argumente genau zwischen diesen Positionen …

Niemand sollte ernsthaft erwarten, dass eine einmalige Versammlung von Staatschefs die “Rettung” von oben bringen kann.  Die zentralen Auseinandersetzungen, die darüber entscheiden, ob unser Planet lebenswert bleibt, laufen ständig in der Energie- , Wald- Verkehrs- und Landwirtschaftspolitik. Fossile Energien müssen jetzt und überall vor Ort bekämpft werden – und der Durchbruch für Erneuerbare Energien überall erstritten werden. (Selbst mitten in den kanadischen Ölsanden, wie es Little Buffalo vormacht).

Aber Ereignisse wie der Pariser Klimagipfel können trotzdem helfen. Gipfel setzen Fristen. Regierungen werden so gezwungen, Zeit zu finden um Gesetze zu verabschieden. Verfeindete Ministerien müssen sich zu einigen. Brasilien hat z.B. gerade – trotz einer tiefen Regierungskrise – einen Klimaschutzplan vorgelegt.  Dieser reicht nicht aus, aber er beinhaltet einige Schritte in die richtige Richtung, die ohne den Zeitdruck durch Paris sehr wahrscheinlich vertagt worden wären.

Globale Gipfel sind auch Motor wichtiger bilateraler Abkommen.  Die beiden Nationen mit den höchsten absoluten Emissionen - die USA und China - haben sich nun schon zweimal -  2014 und im September 2015 – gemeinsam auf mehr Klimaschutz geeinigt. Es ist klar, dass sie an einem gemeinsamen Plan für Paris arbeiten. Und gerade in den USA ist es politisch eine Notwendigkeit für alle, die das Klima schützen wollen, zu zeigen, dass auch China handelt.


Und Gipfeltreffen sind Orte, an denen die Regierungen Signale an Märkte senden. Wer denkt, dass es nicht von Bedeutung ist, dass z.B. die G7 sich zu einer kompletten Dekarbonisierung der Weltwirtschaft bekannt haben, der hat noch nie mit Investoren gesprochen. Klar, auch dieser Beschluss reicht bei weitem nicht aus – und in Deutschland bleibt die zentrale Auseinandersetzung der Ausstieg aus der Kohleindustrie. Aber das heisst nicht, dass der G7 Beschluss unbedeutend ist. Er befeuert die Debatte vor allem in Kanada und Japan. Durch ihn lässt sich - wie der Economist schrieb – die Vorstellung einer Welt ohne fossile Energien nicht mehr als spinnige Idee der Umweltbewegung abtun. Ein Ende von Kohle, Öl und Gas sind nun ein akzeptiertes politisches Ziel.

Deswegen fordert Greenpeace, dass der Pariser Klimagipfel im Dezember den nächsten Schritt macht und sich zu einer 100% erneuerbaren Welt bis 2050 bekennt. Nachhaltige, erneuerbare Energien für alle sind verfügbar. Nur diejenigen, die an dem zerstörerischen Status Quo profitieren, wollen verhindern, dass wir dieses Ziel sicher bis 2050 erreichen.

Paris ist die perfekte Plattform, um die öffentliche Auseinandersetzung darüber zu suchen, dass wir um den Klimawandel aufzuhalten mehr machen müssen als die schrittweise “Dekarbonisierung” bis 2100 á la Merkel und G7.  Schon jetzt ist es gelungen, die öffentliche Debatte zu verändern. Aus Anlass des Treffens des Weltklimarates 2014 in Berlin hat z.B. der BBC zum ersten Mal nicht mehr von der Reduzierung von Emissionen gesprochen, sondern vom kompletten Ende der klimaschädlichen Emissionen.

Der Pariser Klimazirkus ist also nicht irrelevant. Er treibt nationale Gesetze und bilaterale Abkommen voran und bringt öffentliche Aufmerksamkeit, die Bewegungen nützen können und sollten. Die Arbeit zu den Klimaverhandlungen in Paris sollte nicht als Gegenteil des Kampfes gegen weitere Straßen, Kohleminen oder für bessere Fahrradwege verstanden werden.  Statt dessen sollten wir die globale Diskussion als Sprungbrett für “grassroots”-Fortschritte nutzen.

Lokale und nationale Erfolge sind im Gegenzug die Voraussetzung dafür, dass
auch die globalen Verhandlungsergebnissen besser werden. Nur weil es z.B. gelungen ist, den Kohleverbrauch in China 2014 zum ersten Mal nicht mehr ansteigen zu lassen, hat sich China im Abkommen mit den USA verpflichtet, bald weniger Kohle zu verbrauchen. Der Kampf gegen den Smog in chinesischen Städten – vor allem natürlich getrieben von Gesundheitssorgen – senkt den Kohleverbrauch. Und dies macht - als erfreulicher Nebeneffekt – es auch deutlich wahrscheinlicher, dass China ein noch ehrgeizigeres Klimaversprechen in Paris macht …

An anderen Orten kann die Debatte um den Klimawandel ein wichtiges zusätzliches Argument gegen fossile Projekte sein. Denn wenn unser Klima nicht vollends außer Kontrolle geraten soll, dann dürfen über zwei Drittel der fossilen Ressourcen, über die wir jetzt schon Bescheid wissen, nicht verbrannt werden. Sie müssen im Boden bleiben. Deswegen können sich nicht nur die lokal Betroffenen sondern wir uns alle– zu Recht – gegen neue Kohlehäfen am australischen Great Barrier Reef stellen. Deswegen gilt es, Ölbohrungen in der Arktis komplett zu unterbinden und die Arktis als “Commons” für die Menschheit zu bewahren. Die potentiellen zusätzlichen Emissionen dieser Projekte sind schlicht nicht hinnehmbar. Sie gehen uns alle an.

Statt uns innerhalb der Bewegung über die Bedeutung von Paris und die Klimaverhandlungen zu streiten, sollten wir all unsere Kraft gemeinsam gegen diejenigen einsetzen, die durch das Verbrennen fossiler Energien, die Entwaldung oder andere Klimazerstörungen weiterhin Milliarden verdienen. Gerade die Lobbymacht der rückwärts gewandten Kräfte sollten wir in den nächsten Wochen gemeinsam skandalisieren und überwinden. Der gegenwärtige VW-Skandal ist auch in dieser Hinsicht nur die Spitze des Eisbergs.

Weltweit ist die Energiewende auf dem Vormarsch. Das Momentum ist auf der Seite der Klimabewegung. Lasst uns dies nutzen und das Heft der Transformation gemeinsam in die Hand nehmen.  Denn was auch immer in Paris beschlossen wird, schon jetzt ist klar, dass auch danach Druck für schnellere und grundlegende Veränderungen notwendig sein wird. Die Welt wird nicht ein für alle Mal in Paris gerettet werden (sorry Avaaz). Aber lasst uns die Aufmerksamkeit, die Paris bringt, nutzen, um den notwendigen Wandel unsere Wirtschaft und unseres Konsummodells in den nächsten Wochen zu beschleunigen.

Keine Kommentare: